Fachkräftesuche auf neuen Wegen

Pflegepersonal fehlt derzeit überall. Heimbetreiber sind daher froh über ausländische Arbeitskräfte und Bewerber. Die Arbeitgeber stehen damit jedoch plötzlich vor ganz neuen Herausforderungen.

Schwarzenberg/Zwönitz/Aue. Die Begrüßung ist herzlich. Elsa Leistner und Joanna Misigrosz halten sich die Hände, versuchen sich gegenseitig zu beruhigen. Die 99-jährige Heimbewohnerin ist aufgeregt, weil die Presse kommt. Noch aufgeregter ist Pflegerin Joanna. Denn um die 34-jährige Polin geht es. Sie ist eine von mittlerweile zahlreichen ausländischen Pflegefachkräften, die unter dem Dach der Erzgebirgischen Krankenhaus- und Hospitalgesellschaft (EKH) arbeiten. Doch bis dahin war es ein langer Weg.

"Sie ist eine von den ganz Guten, denn sie kümmert sich wirklich um uns", sagt Reinhold Schuurmann. Der 68-Jährige ist durch eine Beinamputation auf den Rollstuhl angewiesen und lebt seit 2017 im Heim der EKH in Zwönitz. "Sie macht das richtig gut", lobt er Joanna Misi-grosz. Verlegen blickt die junge Frau weg. Sie selbst ist froh und glücklich, den Schritt ins Erzgebirge gewagt zu haben. Die Entscheidung, mit der Mutter nach Deutschland zu gehen, wurde ihr freigestellt. Im Jahr 2000 war das. Da war sie 16 Jahre alt.

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Dann lernte sie ihren Freund kennen und folgte ihm ins Erzgebirge. Auf eine Vielzahl von Bewerbungen, die sie schrieb, reagierte damals nur die EKH. "Wir brauchen Pflegekräfte auf lange Sicht und scheuen uns nicht, die hohen Hürden, die teilweise damit verbunden sind, anzugehen", sagt EKH-Geschäftsführer Thoralf Bode, dessen Unternehmen zu Jahresbeginn den Titel "Bester Ausbildungsbetrieb" vom Magazin Focus erhielt.

Mittlerweile arbeiten in der EKH Mitarbeiter aus neun Nationen: darunter aus Polen, Tschechien, Ungarn, Spanien, der Slowakei und den Philippinen. "Allein die Anerkennung von Berufsabschlüssen aus anderen Ländern ist ein enorm zeit- und kostenaufwendiger Prozess", so Bode. Derzeit zählt die EKH 17 Azubis. "Wir würden gern auch alle übernehmen", sagt Bode und schildert, was sein Unternehmen zusätzlich investiert, um diese Kräfte zu halten. Dazu gehören beispielsweise zusätzliche Deutsch-Sprachkurse, die das Unternehmen ins Haus holt, Hilfe beim Finden und Einrichten von Wohnungen bis hin zum Umzug. "Das geht so weit, dass Praxisanleiter die Leute nicht nur während der Arbeit an die Hand nehmen, sondern auch in der Freizeit."

Am Beispiel von Joanna Misi-grosz wird deutlich, wie holprig der Weg sein kann. Ihr bot die EKH sofort an, eine Ausbildung zur Pflegefachkraft berufsbegleitend zu absolvieren. Doch die Anerkennung ihres Schulabschlusses aus Polen habe über ein Jahr gedauert. "Er musste erst übersetzt werden, und wurde dann lange nicht akzeptiert", erzählt die junge Frau. Der Arbeitgeber habe sie in allen unterstützt. "Sie haben das auch alles bezahlt, die Übersetzung und so", sagt Misigrosz.

Die deutsche Sprache beherrscht sie mittlerweile sehr gut. Seit Januar 2016 hat sie den Abschluss als Pflegefachkraft in der Tasche und will bleiben. Ihr gefallen nicht nur das familiäre Arbeitsklima im Team und die Arbeit mit den Senioren, ihr gefällt vor allem, dass sie das Gefühl hat, dass sich jemand um sie kümmert. "Ich werde wertgeschätzt", sagt sie und drückt unauffällig die Hand von Elsa Leistner.

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Quelle: Freie Presse vom 01.06.2018, Beate Kindt-Matuschek